Territorium

Vom Territorium, das die Atikamekw bewohnten und immer noch bewohnen, kommt ihre Sprache und Identität. Auf diesem Territorium ruhen all ihre indianischen Vorfahren – die, die vor ihnen gekommen sind und in diesem Teil der Erde gelebt haben. Deshalb betrachten die Atikamekw dieses Gebiet als „das heiligste“. Es ist fest in ihrem Bewusstsein verankert, dass das Erbe des Territoriums, das sie heute nutzen, bereits ihren Nachkommen versprochen ist. „Das Territorium, das unsere Vorfahren vom Schöpfer erhalten haben, wurde uns derzeit geliehen und ist unseren Enkeln und den nachfolgenden Generationen vorbestimmt.“

Die Atikamekw fühlen sich einem ihnen gegebenem Territorium zugehörig. Gemäß ihrer Tradition kann man Land nicht besitzen.

Im Gegensatz zu den Weißen, die sich auf dem Territorium niedergelassen haben, haben die Indianer und Indianerinnen niemals statische Grenzen festgelegt.

Weitergabe des Territoriums

Um das Territorium zu schonen und vollständig zu erhalten, haben die Atikamekw eine Familien- und Erbordnung angewandt. Die Weitergabe des Territoriums vollzieht sich immer von Generation zu Generation. Das Oberhaupt eines Territoriums oder eines Klans kann die Führungs- und Kontrollverantwortung über das Territorium an ein Familienmitglied in der nächsten Generation weitergeben.  Wenn im Recht von „Territoriumsbesitz“ gesprochen wird, verstehen die Atikamekw darunter die gemeinsame und gleichberechtigte Gesamtheit aus den Mitgliedern, die eine Familie oder eine erweiterte Familie / Großfamilie (Klan) bilden.

Demnach gehören die Mitglieder der Familie zu dem Territorium. Laut den Atikamekw können Einzelpersonen kein „Territorium besitzen“.

Beanspruchung des altüberlieferten Territoriums

Die Flussufer, an denen Jacques Cartier angelegt hatte, „gehörten nicht“ irgendeiner Gruppe, die sich „Irokesen“ nennen. Diese lebten an den südlichen Ufern des Sankt-Lorenz-Stroms, auf einem Gebiet von den Großen Seen bis zu der südlichen Region von Montreal. Wohingegen die algonkinischen Gruppen den größten Teil von Ostkanada und der östlichen USA besiedelten.

Als Jacques Cartier die spätere kanadische Küste erreichte (10. Mai 1535) trafen sich manche dieser algonkinischen Nationen bereits regelmäßig an den Ufern des Golfes und des Meeres, um sich in der Sommerzeit auszutauschen und um Allianzen zu vereinbaren; die Mi’kmaq, Maliseet, Abenaki lebten auf dem Land südlich des Sankt-Lorenz-Golfs und des Atlantiks, die Innu, Naskapi, Cree, Atikamekw und Algonkin lebten nördlich des Sankt-Lorenz-Stroms und -Golfs. Es scheint, als hätte das Wort „Kanada“ etwas mit den Wörtern „Aka neta“ (gesprochen: Aka nada) oder „Akawir neta“ zu tun, die im Atikamekw so viel heißen wie „nein, nicht dort“, was bedeutet, dass die Indianer und Indianerinnen, die die Ankunft von Cartier sahen, ihn stoppen und nicht wollten, dass er an ihnen vorbeikam und noch weiter fuhr.

Weitere Indikatoren für die Präsenz der Atikamekw auf den alten Karten von 1743/1744:

Der Name „Atticamouecs“ (Atikamekw) wird auf der „Carte de l’Amérique Septentrionale“ (Karte des nördlichen Amerikas, wichtiges Dokument für die Darstellung der Geschichte Neu-Frankreichs, erstellt 1743 von N. Bellin, Ingenieur des Königs und Hydrograph der Marine), erwähnt. Auf der „Carte de la Partie Orientale de la Nouvelle-France ou du Canada“ (Karte des Ostens von Neu-Frankreich oder Kanada, von N. Bellin dem Comte de Maurepas gewidmet, 1744) sind die Namen Atticameouecs  sowie die Flüsse Ouamachis und Acouanagousin und der See Caouinagamic aufgezeichnet (Quelle: Histoire de la Nouvelle-France 1).

Anmerkungen:

Der Fluss Ouamachis steht für den Fluss „Omaci“ (gesprochen: Omachi) und fließt in Trois-Rivières in den Sankt-Lorenz-Strom.

Der Name Atticameouecs steht für Atikamekw (im Plural eigentlich Atikamekokw), der Nation, deren Territorium hauptsächlich in dem administrativen Gebiet Mauricie liegt, aber auch in denen von Québec-Stadt, Laurentides und Lanaudières.

Ein See namens Caouinagamic für „Ka winakamik“ im Atikamekw liegt in dem Gebiet des Flusses Tapiskwan, besser bekannt als St.-Maurice, auf der Höhe von Kokac (oder Coucoucache), nahe des Flusses Flamand.

Auch für der Fluss Acouanagousin („Acohanakosin“) stammt aus dem Atikamekw. Leider wurde dieses Toponym in den Studien zur Toponomastik des Atikamekw-Territoriums (im Herzen von Québec) noch nicht erfasst.

Die Präsenz der Atikamekw in Matawa (Saint-Michel-des-Saints)

Aufgrund ihrer Lebensweise sind die Atikamekw schon seit mehr als zwei Jahrhunderten in der Region von Matawa (Saint-Michel-des-Saints) präsent. Ihr Territorium erstreckt sich auch über andere Verwaltungsregionen. Entsprechend der Verbreitung der lebenswichtigen Ressourcen, wie der Esche (Akimaskw), wurde auch die Region Matawa von den Menschen aus Manawan während ihrer Wanderungen regelmäßig in Anspruch genommen und bewohnt. Auf den Territorien der indianischen Nationen sind manche Ressourcen gar nicht zu finden, und andere dafür umso häufiger und damit auch benannt. Die Sprache der Atikamekw ist sehr deskriptiv, sodass die Ressourcen und die Lebenswelt (Toponyme) der Atikamekw in ihrem Wortschatz wiederzufinden sind.

 

Als Beweis finden sich in den Schriftstücken des 17. Jahrhunderts solche Toponyme, wie zum Beispiel Ouareau oder Outaragawe Sipi (Fluss Assomption) in den Dokumenten der Jesuiten des 17. Jahrhunderts. Außerdem wird die Region Matawa (in unterschiedlichen Schreibweisen) während der Gründung der beiden wichtigsten Siedlungen in dem Gebiet (Saint-Ignance und Saint-Michel) oft erwähnt, sowie in der Zeitung der Hudson’s Bay Company, die sich in den 1870er Jahren in Metapeckeka (heute Manawan) niederließ. Weitere Hinweise auf die neuzeitliche Präsenz der Atikamekw in Saint-Michel-des-Saints finden sich in der mündlichen Überlieferung, nach der Familien aus Manawan Anfang der 1900er Jahre zu Feiertagen den Messen beigewohnt haben.

Geografische Lage von Manawan

Manawan liegt westlich von La Tuque, nördlich von Saint-Michel-des-Saints und von Saint-Jovite und nordöstlich von Mont-Laurie. Die Hauptflüsse aus der Region um Manawan sind der Fluss Vermillon (Acopekahi Sipi), der nach Osten nördlich von La Tuque in den Saint-Maurice (Tapiskwan) fließt; der Fluss Milieu (Ka Minictikowok), der südlich nach Saint-Michel-des-Saints fließt und von dort weiter als Mattawin südlich von La Tuque in den Saint-Maurice (Tapiskwan); auch nach Süden der Sesekatiko Sipi, der in die Rivière Rouge und dann vorbei an Saint-Jovite zum Lac-des-Deux-Montagnes fließt; der Chatillon (Wito Sipi), dessen Quelle der Otcapan Sakihikanik (Lac Bélisle) ist und der in den Wapoc Sipi (Rivière du Lièvre) fließt, welcher in der Stadt Gatineau in den Ottawa River mündet; und der Fluss Manawan, der direkt an dem Dorf entlangführt und im Norden bei Wemotaci und Sanmaur (nördlich von La Tuque) in den Saint-Maurice (Tapiskwan) mündet.

Die Mitglieder der Nation der Atikamekw leben auf ihrem Territorium im Herzen der Provinz Québec. Das Territorium der Atikamekw von Manawan liegt in den heutigen nicht-indianischen Verwaltungsregionen (geschaffen in den 1970er und 1980er Jahren) von Mauricie, Haute-Mauricie, Lanaudière und Hautes-Laurentides.

Das Territorium der Atikamekw-Nation erstreckt sich über folgende Fläche:

Im Osten: Von Québec-Stadt zur Region des Lac Édouard nordöstlich von La Tuque bis zum Einzugsgebiet des Lac Saint-Jean. Im Norden: Im Einzugsgebiet des Flusses Ashuapmuchuan, der aus der Region der Bay James in den Lac Saint-Jean fließt. Im Westen: Östlich von Senneterre und Abitibi über die Quellen des Gatineau (Katino Sipi), weiter südlich zum See Mitchinamécus (Mitcinamekos) zum Tapani-See bei Ferme-Neuve in den Hautes-Laurentides. Im Süden: Von der Stadt Mont-Laurier (Mos Powactikw, „die Stromschnelle des Elchs“) über Saint-Jovite und andere Orte in den Regionen Hautes-Laurentides und Moyennes-Laurentides. Der Fluss Ouareau bildet die südliche Grenze des Atikamekw-Territoriums. Das Wort „Ouareau“ könnte hier in der Bedeutung „weit entfernt“ stehen, um die weite Strecke zu verdeutlichen, die dieser Fluss von der Quelle bis zu seiner Mündung durchläuft. Eine andere Herkunft des Toponyms könnte „nikikw waro“ (Otterschwanz) sein. Hervorzuheben ist in dem Wort „Ouareau“ (von „warowik“ oder „nikikw waro“) der Buchstabe /r/, der abgesehen vom Atikamekw in keiner anderen amerindischen Sprache der Region und in Québec existiert. Das Toponym „Ouareau“ weist damit darauf hin, dass der Fluss im Stammesterritorium der Atikamekw fließt.

Zwei wichtige Reichtümer: Die Erinnerung und Bedeutsamkeit und der Respekt gegenüber dem Territorium

Im Leben der Atikamekw sowie auch in dem der anderen indianischen Nationen dieses Kontinents gibt es Reichtümer, von denen hier nur zwei genannt werden sollen: Erstens der der Erinnerung und der Bedeutsamkeit, und zweitens, der des Respekts, den sie für das Territorium und seine Ressourcen empfinden; diese Reichtümer hat es in ihrem Leben und mitunter auch in ihrem Fortleben immer gegeben und sie existieren noch heute. Deshalb benutzen sie diese Elemente ganz bewusst und mit vollem Recht.

Die Atikamekw respektieren – wie die anderen indigenen Nationen des Kontinents auch – die globale Umwelt sowie die natürliche und lebenswichtige Energie, die davon ausgeht: Das Feuer (Donner), den Wind, die Luft und das Wasser. Beim Hinabfahren der Flüsse, in der Kultur der Brandrodung, oder zum Beispiel wenn der Jäger bei der Elchjagd den günstigen Wind abwartet – dann werden diese Energien genutzt. Die Energien benutzen sie nur, wenn es keine große Auswirkung auf die Subjekte hat. Aufgrund des Respekts, den sie ihrer Umgebung zollen, liegt ihre Absicht nicht in der Kontrolle oder Führung dieser natürlichen Elemente.

Auf einen schlechten Umgang mit der Umgebung folgen Konsequenzen wie Umweltverschmutzung, die sich auf alle Ressourcen verhängnisvoll auswirken können, also sowohl auf die Menschen als auch auf die Natur. Während ihrer Besuche in verschiedenen Museen im Mai 2004 stellten die Ältesten von Manawan eine Verschmutzung des Territoriums und der Ressourcen fest: „... alle möglichen Arten von Objekten aus unterschiedlichen Epochen, wie Birkenrindenkörbe. Nach einer sorgfältigen Untersuchung dieser Behältnisse, in der wir sie mit neueren Birkenrindenkörben verglichen, erkannten wir das Ausmaß der Umweltverschmutzung auf die Qualität und die Schädigung der Ressourcen des Territoriums, wie der Rinde, der Wurzeln oder der Lebensbäume (Thujen).“

Territorium